Geistlicher Missbrauch

Kann das sein?

Geistlicher Missbrauch in der KIG?

Im Dialog mit anderen ehemaligen KIG-Mitgliedern erscheint oft das Eingeständnis, dass es irgendwann früher durchaus auch Falschentscheidungen oder sogar Fehlentwicklungen gegeben habe. Doch würde deren Darstellung völlig verstellen, wieviel zugleich an Heilserfahrungen real geschehen seien.

Ja, an einem Unfallwagen gibt es ganz gewiss auch noch einige unzerstörte Teile – siehe meine Darstellung unter „Beiträge – Unfall mit Fahrerflucht“ 

Das ändert aber leider nichts daran, dass das Fahrzeug insgesamt nicht mehr fahrtüchtig ist – und auch der fahrerflüchtige Fahrzeughalter keine gültige Lizenz mehr besitzt.

Zum Unfall-Hergang existiert schon seit 2020 eine Art von unabhängigem TÜV-Gutachten in Gestalt der Stellungnahme der erzbischöflichen Visitator*innen, das jede(r) öffentlich einsehen kann: https://www.erzbistum-muenchen.de/bericht-kig

Doch die Tragödie der KIG steht gewiss nicht kontextlos für sich allein. Vielmehr hat die Kirchenkrise inzwischen hoch qualifizierte Analysen hevorgebracht und v.a. unter dem Begriff „geistlicher Missbrauch“ für eine völlig neue Sensibilisierung gesorgt, zum Beispiel:

  • Doris Wagner hatte schon vor Jahren ein umfassendes Suchwerkzeug entwickelt und Lösungswege aus toxischen Gemeinschaftsbeziehungen aufgezeigt: Wagner, Doris: Spiritueller Missbrauch in der Katholischen Kirche. Freiburg: Herder, 2019.
  • Hanna Schulz spürt insbesondere den theologischen Wurzeln von übergriffiger Bevormundung nach und formuliert zahlreiche praktische Handlungsempfehlungen: Schulz, Hannah A.: Bei euch soll es nicht so sein! Missbrauch geistlicher Autorität. Würzburg: Echter, 2022
  • Dysmas de Lassus: Verheissung und Verrat. Geistlicher Machtmissbrauch in Orden und Gemeinschaften der katholischen Kirche, Münster: Aschendorff, 2022, analysiert die Problematik insbesondere auf dem Hintergrund jahrhundertelanger Erfahrungen von klösterlichen Gemeinschaften.
  • Hildegund Keul (Uni Würzburg) hat soeben eine deutsche Version des Buchs der französischen Publizistin Céline Hoyeau herausgegeben: „Der Verrat der Seelenführer. Macht und Missbrauch in Neuen Geistlichen Gemeinschaften.“ (Freiburg: Herder, 2023)
  • Stephanie Butenkemper: Toxische Gemeinschaften. Geistlichen und emotionalen Missbrauch erkennen, verhindern und heilen. Freiburg: Herder, 2023

    Auf der Basis von Betroffenen-Interviews arbeitet die Autorin klar heraus, welche Mechanismen mentale Manipulation begünstigen und emotionale Abhängigkeit aufrecht erhalten können.

    Gestützt auf systemische Forschungsergebnisse zeigt sie neben dem religiösen Kontext die Wirksamkeit von Bewusstseinskontrolle auch in den Machtfeldern Pädagogik, Leistungssport und Klimaschutz auf. Praktische Therapie-Erfahrungen mit Missbrauchsopfern fließen in ihre konkreten Empfehlungen für die Aufarbeitung und Prävention ein. In differenzierter Weise stellt sie abschließend dar, wie Gemeinschaften zum Wohl aller Beteiligten gelingen können.

  • Derzeit startet am Institut für katholische Theologie der Universität Münster unter Leitung von Prof. Dr. Judith Könemann eine Grundsatzstudie zur Aufarbeitung geistlichen Missbrauchs im Kontext neuer geistlicher Gemeinschaften.
  • Die Deutsche Bischofskonferenz hat zudem ein Handbuch zum Umgang mit geistlichem Missbrauch in Auftrag gegeben, das in Kürze erscheinen soll.

Es besteht also weiterhin nicht nur dringender Bedarf, sondern nun auch eine große Chance zu konstruktiver Zusammenarbeit, um entstandene Schäden aufzuarbeiten, Verursacher zur Verantwortung zu bringen und Fehlentwicklungen in der Zukunft zu vermeiden, damit die Kirche ihre verlorene Glaubwürdigkeit wiedergewinnt und ihren besonderen gesellschaftlichen Auftrag hoffentlich wieder neu erfüllen kann.

Thomas Schaffert

 

Weitere Hinweise zum spirituellen Missbrauch finden Sie z.B. hier:

https://www.geistlicher-missbrauch.org/

Diese umfassende Seite wird vom „Fachbereich Weltanschauungsfragen“ der Erzdiözese München und Freising betrieben.

https://www.geistlicher-missbrauch.ch/

Hier handelt es sich um die Website eines Ex-Betroffenen (nicht IG), der sich sehr ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt hat.

In der Beschäftigung mit der Frage, ob es in der IG geistlichen Missbrauch gab, können folgende aufgeführte Aussagen zum spirituellen Missbrauch zum Nachdenken anregen:

„… die Überhöhung, wird vor allem deutlich am Umgang mit Aussteigern. Dabei können sie oft wichtige Hilfen geben, ihre Wahrnehmung einbringen. Wer Aussteiger mundtot macht, den Mitgliedern den Kontakt mit Aussteigern verbietet, ist wahrscheinlich gefährlich.“

https://www.orden.de/dokumente/4._Aktuelles/Themen/Missbrauch/1_Pressegespraech_Vortragsmanuskript_von_Sr._Katharina.pdf S. 3

„Viele der Vorschriften in grenzverletzenden Gemeinschaften verstoßen gegen das Kirchenrecht. Hier kann gewissenhaftes Lesen der Statuten, vor allem, wenn sie zur Approbation vorgelegt werden, Menschen und Berufungen retten. Solange das Lehramt sich das Recht zu Approbationen vorbehält, hat es die Pflicht, diese Vorgänge zum Wohl der Menschen einzusetzen.“

https://www.orden.de/dokumente/4._Aktuelles/Themen/Missbrauch/1_Pressegespraech_Vortragsmanuskript_von_Sr._Katharina.pdf S. 3

„Wer idealisiert, der entwertet anderes, schlimmer noch, andere. In einem System geistlichen Missbrauchs zählt der Mensch nicht. Seine Bedürfnisse sind schlecht und müssen abgeschnitten werden. Gerade die Wahrnehmung der eigenen Gefühle wird abgeschnitten, verwirrt. Die Entdeckung des Individuums, der Individualität, wird vernachlässigt.“ 

„… die Erniedrigung und Überforderung, zeigt sich durch Zusammenbrüche von Mitgliedern. Manche Dinge sind einfach nicht zu schaffen.“

https://www.orden.de/dokumente/4._Aktuelles/Themen/Missbrauch/1_Pressegespraech_Vortragsmanuskript_von_Sr._Katharina.pdf S. 3

„Ein Mensch, der in ein System eintritt, das den ganzen Menschen mit Haut und Haaren verlangt, verliert viel, wenn nicht alles, wenn er dieses System verlässt.“  

https://www.feinschwarz.net/hilfe-die-schaden-anrichtet-geistlicher-missbrauch-in-der-katholischen-kirche/

Die Wahrheit hat man nicht nur rational erkannt sondern mehr noch: man lebt in ihr!

 

https://www.geistlicher-missbrauch.org/

„Da ist zum einen, oft Außenstehenden am meisten auffallend, eine gewisse Überhöhung, eine Idealisierung. Die Gemeinschaft wird als elitär dargestellt. „Von hierher wird der Kirche endlich die erhoffte Rettung kommen!“