Vorne hinweg
Die Autorin dieser Bachelorarbeit im Rahmen eines Seminares zum geistlichen Missbrauch hat die IG nicht von innen kennen gelernt sondern schreibt ganz aus einer „Außenansicht“, sie hat sich ihr Wissen über die IG aus vielen Publikationen der IG angelesen.
Interessant erscheint mir, dass für mein Verständnis das Leben in der IG diesen selbsterklärten Vorstellungen oftmals weit hinterherhinkte, bzw. diese nicht umsetzte, z.B.
Auszug aus der Bachelorarbeit:
Verfasserin der Arbeit: Elisabeth Fellnhofer
1 Einleitung
Die Verfasserin der vorliegenden Arbeit lernte die katholisch – integrierte Gemeinde (im Folgenden KIG genannt) durch ihren Onkel kennen, der sich in jungen Jahren gemeinsam mit seiner Frau und drei kleinen Töchtern der KIG anschloss. Bereits in ihrer Kindheit bemerkte die Verfasserin einige Auffälligkeiten im Familienleben ihres Onkels: häufige Umzüge, wenig Freizeit, ein tiefgehender Glaube und ein unbändiges Interesse an Kunst, Musik und Theologie. Im letzten Jahrzehnt wurden persönliche und familiäre Konflikte immer deutlicher erkennbar und teilweise auf das Leben in der KIG zurückgeführt. Aus diesem Grund widmet sich die Verfasserin dieser Arbeit mit dem großen Anliegen, die KIG in ihrer Vielseitigkeit zu erkunden und zu helfen, Betroffenen Versöhnung mit ihrer Vergangenheit zu ermöglichen.
1.1 Forschungsfeld
Die KIG entstand in den Nachkriegsjahren in Deutschland. Die spätere Leiterin der KIG, Traudl Wallbrecher, knüpfte Kontakt zu dem katholischen Priester Aloys Goergen, der durch sein Wissen und Charisma viele junge Menschen um sich versammelte und begeisterte. Gemeinsam traf man sich zu Vorträgen, studierte moderne, kontrovers diskutierte Theaterstücke ein und feierte die Feste des Kirchenjahres. Die daraus entstandene Gruppe, die sich zunehmend als Gemeinde bezeichnete, verstand sich selbst als „Experiment Gottes mit der Kirche“ in Anlehnung an Karl Rahners Frage: „Wo bleibt das Experiment im deutschen Katholizismus?“ (vgl. Leven/Wiegelmann 2020: 15) Im Jahre 1968 trennte sich Aloys Goergen im Streit von der Gemeinde und Traudl Wallbrecher übernahm die Leitung. Zeitgleich wurde beschlossen, dass Gemeindemitglieder fortan in sogenannten „Integrationshäusern“ zusammenleben und wirtschaften sollten. Als Vorbild dienten die Urgemeinden des Neuen Testaments, sowie die israelischen Kibbuzim. „Von nun an wohnten die Gemeindemitglieder in Hausgemeinschaften zusammen: Familien und Alleinstehende, Arbeiter und Akademiker, Männer und Frauen, Kinder und Erwachsene, Priester und Laien.“ (Zit. Nach: ebd: 15) Die KIG, die ihren Ursprung in der Diözese München und Freising inne hatte, erfreute sich in den folgenden Jahren über großes Interesse und wachsenden Zulauf. In mehreren Diözesen, auch außerhalb Deutschlands, entstanden Integrierte Gemeinden. Besonders hervorzuheben ist das freundschaftliche Engagement des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger, späterer Papst Benedikt XVI., der 1978 der KIG zur kirchlichen Anerkennung verhalf. Diese Verbindung ermöglichte zudem den „Lehrstuhl für die Theologie des Volkes Gottes“ an der römischen Lateranuniversität. Hier sollten die Erfahrungen der KIG in die offizielle katholische Theologie Einzug finden. (vgl. ebd: 14) Die KIG löste jedoch nicht nur Begeisterung und Zuspruch aus, sondern erntete immer wieder Kritik von außen, sowie von ehemaligen Mitgliedern. Die vielen Anklagen und Beschwerden über die KIG führten 2019 zu einer Visitation, die der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx in Auftrag gab. Die Ergebnisse dieser Visitation, die unter anderem fehlende Machtkontrollen, Nichteinhaltung der eigenen Statuten, finanzielle Instrumentalisierung vieler Mitglieder, sowie absoluten Gehorsam vor den Entscheidungen der KIG bemängelt, führten 2020 zur offiziellen Auflösung des „öffentlich kirchlichen Vereins Katholische Integrierte Gemeinde“. (vgl. Leven 2020: 11f)
1.2 Forschungsfrage und Methodik
Bisher sind nur wenige wissenschaftliche Beiträge, die sich ausschließlich mit der KIG beschäftigen, erschienen. In jüngster Zeit wurden vor allem die Missbrauchsvorwürfe in der KIG, die 2020 in einem von Kardinal Reinhard Marx in Auftrag gegebenen Visitationsbericht verifiziert wurden und zur offiziellen Auflösung der KIG führten, thematisiert. (vgl. 1.1) Die Verfasserin dieser Arbeit möchte an diesen Visitationsbericht anschließen und sich vor allem den Betroffenen zuwenden. Die Motivation der vorliegenden Arbeit ist die Unterstützung jener Menschen, die durch ihre Erlebnisse und Erfahrungen in der KIG bis heute Probleme haben und leiden. Die wissenschaftliche Aufarbeitung und Beleuchtung der Thematik kann Betroffenen Hilfe leisten und dient vor allem als Prävention für kommende Generationen, die sich überlegen, (christlichen) Gemeinschaften anzuschließen. Die oben genannten Gründe führten zu folgender Forschungsfrage, die der gesamten Arbeit zu Grunde liegt: „Wie gehen Betroffene mit erlebtem Missbrauch in der KIG um?“
Um die Forschungsfrage optimal zu beantworten, ist die Arbeit in drei große Kapitel unterteilt. Im Kapitel 2 soll die KIG bestmöglich beschrieben und erklärt werden. Ihre Entstehung und Entwicklung, die theologischen Schwerpunkte, sowie grundlegende Organisationsstrukturen sollen aufgezeigt werden. Dafür werden ausschließlich Eigenpublikationen der KIG zu Hilfe gezogen, die einen Einblick in das Selbstverständnis der KIG geben. Da die KIG unzählige Artikel, Zeitschriften und Bücher publizierte und einem permanenten inneren Wandel unterzogen war, erscheint es unmöglich, ein vollständiges und lückenloses Bild der KIG zu zeichnen. Daher stehen wesentliche Grundmuster der KIG im Fokus dieses Kapitels. Das folgende Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Thematik des geistlichen Missbrauchs. Dafür wird zuerst versucht, das Phänomen des geistlichen Missbrauchs mit Hilfe von Doris Wagner – Reisingers Buch „Spiritueller Missbrauch in der katholischen Kirche“ zu beschreiben. Danach wird der Visitationsbericht über die Vorkommnisse in der KIG, der von Kardinal Marx 2019 in Auftrag gegeben wurde, mit Wagner – Reisingers Formen des geistlichen Missbrauchs verbunden. Im Kapitel 4 sollen schließlich Betroffene selbst zu Wort kommen, deren Leben bis heute durch die Erfahrungen in der KIG beeinträchtigt sind. Die Verfasserin wählte dafür die Methode der Leitfadeninterviews, die der qualitativen Sozialforschung entsprechen. Die qualitative Sozialforschung bezieht sich weniger auf messbare und allgemein gültige Standards, vielmehr stehen die Perspektiven und Eindrücke einzelner Personen im Vordergrund, deren Aussagen stets in Zusammenhang mit deren individueller Biographie von den LeserInnen interpretiert werden. Als Forschungsgrundlage dient demnach deren subjektive Konstruktion der Wirklichkeit, die nicht als absolute, allgemein gültige Wahrheit zu verstehen ist. Um dem Forschungsgegenstand dieser Arbeit demnach gerecht zu werden, interviewte die Verfasserin zwei ehemalige Mitglieder der KIG, die über ihre Beweggründe der KIG beizutreten, sowie über ihre Erfahrungen und Möglichkeiten der Aufarbeitung sprechen. Im letzten Kapitel sollen die Interviews mit den Forschungsergebnissen der vorherigen Kapitel in Verbindung gebracht werden. Ziel der Arbeit ist es, einen Einblick in das Konstrukt der KIG sowie der damit verbundenen Missbrauchsvorwürfe zu geben und aufzuzeigen, ob und wie den Betroffenen eine Aufarbeitung möglich ist. (…)
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