Mitgliedschaft

Mitgliedschaft und Zugehörigkeit

Jede Gemeinschaft braucht Zugehörigkeitsregeln. In der IG wurde dieser Aspekt über die Jahre regelmäßig diskutiert und war einem sich wandelnden Prozess unterzogen.

Die Statuten von 1997 besagen:

„Zur Katholischen Integrierten Gemeinde gehören:

  • Mitglieder
  • Anwärter auf Mitgliedschaft
  • Gäste (Erg.: und Freunde)
  • Personen mit individuellen Formen der Zugehörigkeit“[1]

Hier werden also vier mögliche Zugehörigkeitsformen definiert. Die Zeit der Einführung in das Leben der Gemeinde und ihr Selbstverständnis bis zum Mitglied-Status wird mit 3 ½ Jahren beziffert.

Allerdings waren diese verschiedenen Zugehörigkeitsformen nicht ein Prozess, der quasi einmal durchlaufen werden musste, um anschließend als Mitglied anerkannt zu werden. Nach den Statuten entscheidet sowohl für die Aufnahme eines „Anwärters“ als auch für die des „Mitgliedes“ die Mitgliederversammlung.

 

In der Kurzdarstellung der Katholischen Integrierten Gemeinde von 2005 wird es komplizierter:

  • „Mitglieder“ werden ausdifferenziert in
    • Mitglieder, Mitarbeiter oder Angehörige
  • „Anwärter auf Mitgliedschaft“ nennen sich „Katechumene“
  • „Gäste“ werden aufgeteilt in
    • Freunde (Personen, welche die IG kennen gelernt haben)
    • Interessenten sind Personen, die sich der IG näher anschließen wollen
    • Informanden sind Interessenten, die nach einiger Zeit die IG näher kennen lernen wollen. Man kann „als Informand zunächst ein Jahr, dann evtl. weitere zwei Jahre am Leben der Gemeinde teilnehmen.“[2].

 

Nach Aussage dieses Büchleins kann die Anfangszeit vor dem Katechumenat also wesentlich länger dauern als in den Statuten vorgesehen. Die Ausdifferenzierung der Mitglieder in drei Kategorien bedeutete, dass nur ein Teil der „Mitglieder“ tatsächlich Mitglieder mit vollen Rechten wurden und „das Gestaltungsrecht über das Gemeinschaftsleben aller“[3] inne hatten.

 

Die Katechumenen

Auf diese Zugehörigkeitsform der „Katechumenen“ möchte ich kurz eingehen, da das Wort erklärungsbedürftig ist. Katechumene ist im Christentum „ein ungetaufter Jugendlicher oder Erwachsener, der Christ werden will und dessen Wunsch zum Eintritt in die Kirche, der durch die Taufe vollzogen wird, feststeht.[4] In der IG handelte es sich jedoch meist um bereits getaufte Christen, die meinten, dass sie in der IG  „im Sinne der Nachfolge Jesu leben[5] möchten. Sie werden „in spezieller Weise in das Leben und das Selbstverständnis der Gemeinde eingeführt.“[6] Im Allgemeinen war dieser Einübungsort das Integrationshaus (siehe Integration). Laut Statuten von 1997 sollen sie sich – ohne volle Verantwortung – an den Aufgaben der Gemeinschaft beteiligen.

 

Regeln für junge Menschen

Laut den Statuten von 1997 können junge Menschen „mit Vollendung des 18. Lebensjahres Anwärter werden.[7] Und weiterführend findet sich in den Statuten: „Junge Menschen, die 21 Jahre alt sind, schon drei Jahre lang Anwärter waren und mehr Verantwortung mittragen möchten, können jugendliche Mitglieder der Katholischen Integrierten Gemeinde werden.[8] Hier besteht also für die jungen Menschen die Möglichkeit, nach drei Jahren Anwärterschaft ein „jugendliches Mitglied“ zu werden.

In der Kurzdarstellung der Katholischen Integrierten Gemeinde von 2005 hingegen heißt es: „In der Gemeinde heranwachsende Jugendliche können, wenn sie wollen, zwischen 18 und 25 Jahren als Jugenddiakone mitleben.“[9] Hier brauchen die „Jugendlichen“ also sieben Jahre, um dann als Mitglieder betrachtet werden zu können.

Was sagt der Bericht der Visitatoren dazu? [10]

Unter der Rubrik „Systemfehler“ wird von „einem strukturell angelegten Defizit im Gemeinschaftsleben ausgegangen“. Als Beispiel werden die komplexen Zugehörigkeitsregeln ausgeführt, „die dazu führten, dass nur wenige Auserwählte Mitglieder mit allen Rechten werden konnten. Nur diesem kleinen Kreis der Mitglieder kam das Gestaltungsrecht über das Gemeinschaftsleben aller zu.“ So fehlte eine im System verankerte Machtkontrolle.

 

Beendigung der Mitgliedschaft

Die Statuten von 1997 sehen drei Arten der Beendigung einer Mitgliedschaft vor:

  • Tod
  • Austritt
    • wer Lebensform der IG und deren Aufgaben nicht mehr übernehmen will
    • Mitteilung schriftlich oder mündlich an Mitgliederversammlung
  • Ausschluss
    • wenn die Mitgliederversammlung feststellt, dass Mitglied nicht mehr
      • in Übereinstimmung mit der IG
      • oder den Statuten lebt
    • darüber ist das Mitglied anzuhören
    • nach wiederholten Gesprächen ohne Übereinstimmung:
    • der Ausschluss erfordert die Zustimmung mindestens einer 2/3-Mehrheit der Mitgliederversammlung

„Die Lösung der finanziellen, vermögens-, lebens-, oder berufsmäßigen Verflechtungen soll im Geist brüderlicher Verbundenheit geschehen“[11] besagen die Statuten.

 

Angst vor dem Ausschluss

Wenn ein Gemeindemitglied den Rat der Versammlung (Siehe Gemeindeversammlung) nicht annahm, bestand die Gefahr der Trennung von der IG.[12] Die Angst, aus der IG ausgeschlossen zu werden, war bei einigen Ex-Mitgliedern groß. Einerseits waren sie häufig beruflich und sozial ganz in die IG eingebunden und hatten kaum oder keine Kontakte nach außen. Andererseits bestand die Sorge, in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten: Sie hatten oft ihr gesamtes eigenes Vermögen in die IG eingesetzt und einige sogar Schulden aufgenommen zur Finanzierung von Projekten der IG.[13] Zudem gab es auch rechtswidrige Ausschlussverfahren .[14] Diese vielschichtige Unsicherheit führte oft zu Unfreiheit und massiven Ängsten.[15]

 

Was sagt der Bericht der Visitatoren dazu? [16]

Unter der Überschrift „Problematischer Umgang mit Recht“ wird beschrieben, dass bereits 2005 der „Kirchenrechtler Professor Dr. Heribert Schmitz in einem von der Erzdiözese in Auftrag gegebenen Gutachten“ festgestellt hat, dass von ihm untersuchte Ausschlussverfahren der IG rechtswidrig waren.

Die Rubrik „Finanzielle Instrumentalisierung der Mitglieder“ geht auf die Folgen eines Austrittes oder Ausschlusses ein: Von den Mitgliedern wurde die Bereitschaft gefordert, „Schulden zur Finanzierung von Projekten der KIG aufzunehmen“. … „Selbst nach einem Austritt oder Ausschluss blieben den Menschen die Verbindlichkeiten aus den Darlehen. Das hatte und hat häufig langfristig existentiell prekäre Lebenssituationen zur Folge.“[17]

 

 

 

 


 

[1] Statuten 1997 S.4

[2] Wallbrecher, Traudl / Weimer, Ludwig: Katholische Integrierte Gemeinde. Eine Kurzdarstellung. Bad Tölz:

   Verl. Urfeld 2005. (Urfelder Texte Bd. 5) S. 26

[3] https://www.erzbistum-muenchen.de/cms-media/media-52305220.pdf, S.3, aufgerufen am 28.5.2021

[4] http://www.kathpedia.com/index.php/Katechumene  aufgerufen am 1.4.2021

[5] Statuten 1997 S.4

[6] Statuten 1997 S.4

[7] Statuten 1997 S. 4

[8] Statuten 1997 S. 5

[9] Wallbrecher, Traudl / Weimer, Ludwig: Katholische Integrierte Gemeinde. Eine Kurzdarstellung. Bad Tölz:

   Verl. Urfeld 2005. (Urfelder Texte Bd. 5) S. 26

[10] https://www.erzbistum-muenchen.de/cms-media/media-52305220.pdf, S.3, aufgerufen am 28.5.2021

[11] Statuten 1997 S. 6

[12] Vgl. https://www.erzbistum-muenchen.de/cms-media/media-52305220.pdf,  S.2, aufgerufen am 28.5.2021

[13] Vgl. .https://www.herder.de/hk/hefte/archiv/2020/11-2020/der-gottesbeweis-die-fragwuerdigen-praktiken-der-integrierten-gemeinde-und-die-nachsicht-der-kirche/

[14] Vgl. https://www.erzbistum-muenchen.de/cms-media/media-52305220.pdf, S.3 aufgerufen am 28.5.2021

[15] Vgl. https://www.erzbistum-muenchen.de/cms-media/media-52305220.pdf, S.2 aufgerufen am 28.5.2021

[16] https://www.erzbistum-muenchen.de/cms-media/media-52305220.pdf, aufgerufen am 28.5.2021

[17] https://www.erzbistum-muenchen.de/cms-media/media-52305220.pdf,  S.2, aufgerufen am 28.5.2021