Nachruf seiner Tochter

Rom, Castel Gandolfo Juni 2021

Liebe Leser/innen,

 

Am 1.11.2010 wurde mein Vater mit schweren Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus S. Spirito hier bei uns in Rom gebracht, wo er die Krankensalbung durch Prof. Massimo Serretti erhielt.

Noch in Deutschland hatte er zwei Schlaganfälle erlitten, die ihm weitgehend die Sehfähigkeit genommen hatten: Als Eröffnung eines Briefes an ein Gemeindemitglied schrieb er damals: „Hier schreibt einer, der nicht mehr durchblickt.“

Den 3. Schlaganfall erlitt er wenige Wochen nach dem Austritt von mir und meinem Mann aus der KIG am 9.4.2009. Wie sehr hatte er gehofft, dass seine Kinder das Licht des Glaubens vor allem durch ein Leben in und mit der KIG erkennen mögen… Dieser dritte Schlaganfall nahm meinem Vater zusätzlich die Sprechfähigkeit. Im März 2010 zogen meine Eltern zu uns nach Rom, ein höchst komplexer Vorgang.

Heute bin ich dankbar für Vater und Mutters vertrauensvolles Mit – Leben und Vaters erlösten Tod bei unserer Familie in Rom.  Der in Deutschland schon seit Jahren bei ihm bestehende, quälende Hautauschlag, der auf keine Therapie mehr ansprach, verschwand kurz nach seiner Ankunft bei uns in Rom.  Er wurde von Papst Benedikt XVI. noch im August 2010 persönlich in Castel Gandolfo zusammen mit unserer Familie empfangen, was wir als Ehrung seiner Person und seines Lebenswegs betrachten.  Vaters letzte, artikulierte Worte waren an Herrn Paul Badde gerichtet, der zur Versöhnung und zum gemeinsamen Angelus Gebet auf Bitten von mir, bei einer gefügten Begegnung auf dem Petersplatz, zu ihm und meiner Mutter gekommen war: „Danke und Dankeschön“, so verabschiedete er ihn, obwohl er eigentlich nicht mehr sprechen konnte. Schon zwei bis drei Wochen danach wäre ihm dies nicht mehr möglich gewesen.   In den letzten Wochen seiner Pflegebedürftigkeit durfte mein Vater, der große Theologe, noch etwas Neues lernen: Ich bin umsonst geliebt, brauche nichts mehr geben, darf nur noch empfangen.

Mein Bruder kam noch 14 Tage vor seinem Tod für drei Tage nach Rom, um für Vater da zu sein. Er las für ihn, hörte Musik mit ihm und übernahm die Pflege in diesen Tagen. Nur wenige Jahre zuvor hatte er sich mit Vater in Rom versöhnt.

Rudolf Pesch, Vater und Opapa, starb am 13.1.2011 in unserer Wohnung in Rom, fünf Tage lang hatten Tag und Nacht die noch nicht verbrauchten Advents – Wachskerzen an seinem Bett gebrannt, wir sangen und beteten dort mehrfach am Tag.

Hier in Rom erlebe ich immer wieder erstaunt, was für ein hoch angesehener, weltweit bekannter Theologe mein Vater gewesen ist.

Ich kann mich nicht an seiner Stelle bei all denen entschuldigen, denen er durch ideologische Verhärtung und Blindheit im Rahmen seiner Existenz in der KIG Verletzungen und Unrecht zugefügt hat. Ich kann mich nur selber bei all diesen Personen dafür entschuldigen, dass ich selbst oftmals Mitläuferin gewesen bin, stumm geblieben bin, irgendwie gelähmt, obwohl die Stimme meines Gewissens sich gemeldet hatte, wenn ich Vorgänge nicht verstand oder unrecht fand.

Natürlich werden diese wenigen Zeilen dem intensiven Lebensweg meines Vaters nicht gerecht, das ist mir ganz klar.

 

Rom, 12 Juni 2021 Friederike Wallbrecher, geb. Pesch

 

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